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LAOS
Fabeln
Die neue Macht

Der alte Tiger, der König der Tiere, war alt und gebrechlich geworden und konnte seine Regierungsgeschäfte im Wald kaum noch wahrnehmen. Sein einziger Sohn, ein stattlicher starker Tiger, war in einen anderen Wald gezogen. Er wollte dort König werden.Mit ersterbender Stimme sprach der alte Tiger zu seinem Volk: „Liebe Tiere, ich werde euch nun bald verlassen. Ich sähe es gern, wenn ihr selbst einen neuen König wählen würdet, dem ich dann die Amtsgeschäfte übergeben kann. Die Tiere freuten sich sehr und beschlossen, dem Trend der Zeit zu folgen und den neuen König demokratisch zu wählen. Jede Gattung durfte einen Kandidaten aufstellen. Insgesamt stellten sich zwölf Tiere zur Wahl. Am Tag der Wahl wurde für jeden Kandidaten ein Korb aufgestellt. Die Tiere gingen an den Körben vorbei und warfen ein Mangoblatt in den Korb ihres Favoriten.
Derjenige Kandidat, der die meisten Stimmen hatte, sollte der neue König werden. Die Diener des Tigers zählten am Abend die Stimmen. Sie waren ratlos: In allen zwölf Körben lagen gleich viele Blätter. Wer sollte nun König werden? Sie beschlossen, sich am Abend des ersten Vollmonds des kommenden Monats zu treffen. Bis dahin wollten sie sich auf einen König geeinigt haben.
Und so verging die Zeit: Die Ameisen sagten, sie müssten den König stellen, denn sie seien die Fleißigsten. Die Vögel beanspruchten das Recht für sich, weil sie die Schnellsten seien. Die Schildkröten meinten, sie seien die Weisesten. Alle wollten nur das Beste für die Bewohner des Waldes. So stritten sie sich viele Tage lang und konnten sich doch nicht einigen.
Als der Abend des ersten Vollmonds kam, trafen sich alle auf der großen Waldlichtung.
Auf einem hohen Baumstumpf thronte der Sohn des alten Tigers – auf seinem Haupt die Königskrone.

Martina Sylvia Khamphasith

24.09.2005