Diethelm Kaminski

Foto-Gedichte

 

 

KOMBIBAD

 

Endlich ein Bad

mit der gewünschten Tiefe.

Mal angenommen,

dass ich darin schliefe

mit dir – wär Platz darin

genug für dich

und unsre Federbetten?

Ob unter diesen

oder unter Wasser,

bin sicher ich,

dass sehr viel Spaß er

und du in jedem Fall hätten.

 

*

 

DER KLEINE UNTERSCHIED

 

Leicht lässt sich Überheblichkeit

in Schranken weisen:

Zweibeiner unterscheiden sich

so gut wie nicht von Waldameisen:

Dieselbe Unrast treibt sie an,

ein jeder rafft, was er nur raffen kann.

Der Mensch indes besitzt nicht viel

vom Ameisen-Sozialgefühl.

 

*

 

HUMMELFLUG

 

Die Hummel hat

das Fahrwerk eingezogen.

Sie zieht noch einen letzten Bogen

über dem Blumenbeet,

bevor sie in die Abschlussphase

der Landung geht.

Den Pilotenhelm hat tief sie

in die Stirn gezogen,

als sie mit 1000 Flügelschlägen pro Sekunde,

ungelogen,

auf die Landepiste kracht.

Schon wieder gab der Hummeltower

nicht genügend Acht.

Die Fluglotsen, die haben

Augen nur für hübsche Bienen,

obwohl sie doch der Hummellinie dienen.

 

*

 

 

SCHLAFPLATZ

 

Ein solches Treppchen

habe ich unterschwellig

immer schon gewollt.

Dort schlaf ich eingerollt

wie eine Katze

warm und unauffällig,

geschützt durch einen spitzen Zaun,

dass alles schlechte,

das mich schaun

beziehungsweise sprechen möchte,

von meinem ganz privaten Platze

sich augenblicklich

wieder trollt.

 

*

 

EHEÄHNLICHE GEMEINSCHAFT

 

Sie haben sich gesucht

und auch gefunden.

Eine Prinzessin und ein Prinz

hatten beim Baden im Schlossteich

sich heimlich geküsst.

Jetzt sind sie als Froschkönigin

und Froschkönig miteinander verbunden.

(„In wilder Ehe“, klagt der gute Christ.)

Sie schauen sich

mit verliebten Augen an:

„Sei du meine süße Froschkönigsfrau“.

„Sei du mein starker Froschkönigmann.

Ich setz dich lieber gleich ins Bild:

Unsere Liebe wird sein stark und wild.

Sie darf keiner andren gleichen.

Schon als Menschenprinz du mir gefielst.

Doch wehe, wenn nach anderen Fröschinnen

du schielst.

Dann wirst du ausgestoßen aus den Fröscheteichen.

Nun an die Arbeit, Mann. Wir müssen laichen.“

 

*

 

 

ARBEITSTEILUNG

 

„So in etwa, Liebster,

stell ich vor

mir die gemeinsame

bescheidene Hütte.

Nun an die Arbeit.

Ich mache den Entwurf.

Du besorgst die Kredite.

 

*

 

DER BLUTRICHTER

 

 

Er redet nicht, er richtet.

Wer an seinem Schwert

vorübereilt,

wird unverweilt geköpft und viergeteilt.

Die Leichen werden vor dem Rathaus

aufgeschichtet,

um Bürger davor abzuschrecken,,

mit ihrem Staate anzuecken.

Wer diese Zeilen unglaubwürdig fand,

der sei erinnert an ein braunes Land,

das solche Richter tränkten mit Blut.

Gerechtigkeit, das höchste Gut,

muss ohne Schwerter richten,

damit sie auf dem Rathauslatz

Unschuldige nicht mehr aufschichten.

 

*

 

DIENSTGANG

 

„Weiß irgendwer,

um wen es sich da handelt,

der dort im Kölner Hauptbahnhof

am hellen Tag schlafwandelt?“

„Das ist bestimmt ein Ratsmitglied,

denn ich sehe keinen Unterschied,

ob im Pyjama es

durch unseren Bahnhof rennt

oder anderenfalls am Schreibtisch

seinen Arbeitstag verpennt.“

 

*

 

Diethelm Kaminski

 

AUS DER GEDICHTSAMMLUNG
„ERPROBUNG DES ERNSTFALLS“

 

Gedichte 1994 – 1998

 

 

SPIEGEL

 

Wie man hinein schaut

schaut es nicht heraus.

 

Der bin ich nicht

den kenne ich nicht

der will ich gar nicht sein.

 

Sei du mein Spiegel,

forme du mein Bild,

wirf du meinen Schatten.

 

So wie du

es möchtest,

möchte ich sein.

 

*

 

 

 

 

DIE ZEIT

 

Die Zeit rollt zu Tal,

reißt alles mit sich:

den Sand der Sekunden,

                   das Geröll der Minuten,

                             das Buschwerk der Stunden,

                                      die Bäume der Tage,

                                                die Felsblöcke der Wochen,

                                                          Monate,

                                                                   Jahre.

 

                                                                             Unter allem

                                                                                      begräbt sie

                                                                                                ein

                                                                                                viel

                                                                                                zu

                                                                                                we

                                                                                                nig

                                                                                                ge

                                                                                                leb

                                                                                                t.