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LAOS

Kurzgeschichten

Allein im Urwald

Lisa und David hatten es satt. Überall, wohin sie kamen, starrten die Leute ihnen nach und tuschelten hinter ihren Rücken. Noch so jung und sich schon binden wollen... Sie konnten es nicht mehr hören! Immer dieses Gerede: Zerstört euch euer ganzes Leben. Lernt erst, werdet etwas, arbeitet, verdient Geld ...
Die Eltern hatten gelernt und mit Bravour ihre Abschlüsse gemacht, aber Arbeit haben sie heute trotzdem keine. Geld erst recht nicht.
Sollten sie abhauen? Irgendwohin, wo sie keiner kannte, am besten in eine Gegend, in der es keine Menschen gab...
Sie legten all ihr Geld auf einen Haufen. Mühsam gespart von Weihnachtsfesten, Geburtsta-gen, ein paar Ferienjobs. Immerhin, damit könnten sie schon bis nach Asien fliegen. Wo es immer warm ist. Da bräuchten sie wenig Kleidung, alles grünt und blüht das ganze Jahr über. Man könnte sich ein paar Tütchen Samen mitnehmen, dann hätte man immer frisches Gemü-se ...
In den Herbstferien ging es los, da fiel es am wenigsten auf. Sie erzählten den Eltern irgend-was von einer Klassenfahrt und stiegen in ein Flugzeug Richtung Süden.
Nach zehnstündigem Flug kamen sie im Land ihrer Träume an, passierten problemlos die Passkontrolle und suchten erst mal die Toilette, um sich umzuziehen, denn es war fürchterlich heiß. Mit kurzen Hosen,  Badelatschen, Sonnentop und Sonnenbrille bekleidet fuhren sie mit einem Bus in die Stadt. Dort wollten sie sich erkundigen, wie man am besten in den Urwald kam. Aber was war das? Wieder starrten sie die Leute an und tuschelten! Ein besonders fre-cher Kerl versuchte sogar, Lisa an ihren blonden Locken zu ziehen. Nichts wie weg!
Sie gingen zur Bushaltestelle und suchten nach dem Bus, der sie in den Norden des Landes bringen sollte. Zwölf Stunden Fahrt in einer schrottreifen Kiste, die den Namen Bus kaum verdiente, inmitten von Knoblauchgerüchen, Reissäcken, gackernden Hühnern und ununter-brochen plappernden Passagieren. Sie fuhren den ganzen Tag über und stiegen an einem Ort aus, der ziemlich unbewohnt aussah. Mit ihren schweren Rucksäcken bepackt erreichten sie einen Wald. Die Sonne ging gerade unter und es wurde urplötzlich stockdunkel. Mücken um-schwirrten sie, aber sie waren zu müde, um sich davon stören zu lassen. Sie aßen etwas von ihrem Proviant, kuschelten sich auf einer Decke aneinander und schliefen ein.
Als Lisa am Morgen erwachte, juckte ihr ganzer Körper. Es hatte zu regnen begonnen, alles um sie herum troff vor Nässe. Und David war auch nicht da! Sie wollte etwas essen, musste aber feststellen, dass die Mäuse alles angeknabbert hatten. Nur Büchsen waren noch da. Aber kein Büchsenöffner. Lisa war zum Heulen zumute. Vor ihr ringelte sich eine Schlange. Sie blieb ganz still, schloss die Augen.
Sie war wie gelähmt, unfähig selbst, sich nach Hause zurückzusehnen.
 

Martina Sylvia Khamphasith
26.09.2005